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Villa von Eerde, jetziges Rathaus, Issumer Tor 40

Bild von der Villa von Eerde, jetziges RathausVilla von Eerde, ehemaliges Landratsamt, jetzt Rathaus

Eintragung in die Denkmalliste: 21. Juni 1985

Denkmal Nr.: A 10

Eigentümer: Stadt Geldern

Geschichte

Auf dem Gelände einer wohl nie fertiggestellten Bastion des erweiterten Festungsareals (FRANKEWITZ 1991a, S. 86f. – FRANKEWITZ 1995a, S. 67 u. 69) ließ sich der Landrat Georg Freiherr von Eerde 1862/63 eine repräsentative, freistehende zweigeschossige Villa aus Backstein mit Walmdach errichten. An der Schauseite zur Straße Issumer Tor hin werden die drei mittleren Achsen durch einen leichten Risalit unter einem hohen Treppengiebel zusammengefasst. Oben im Giebelfeld finden sich die umfassten Wappen des Bauherrn, ein Halbmond, sowie das seiner Frau Auguste von Groote, im quadrierten Schild jeweils drei Vögel, im Herzschild zwei Sterne und darunter ein Kleeblatt (BERND 1835, II, Nr. 31 und I, Nr. 89. – FAHNE 1848, S. 120. – HÖVELMANN 1983, S. 81. – SPITZNER-JAHN 1996, S. 39-42. – KOCH 2000, S. 184). Ursprünglich befand sich an dieser Seite eine steinerne Veranda (BOSCH 1991, S. 87). Auch die Rückseite, an deren östlicher Seite ein eingeschossiger Küchentrakt angebaut wurde, weist einen ähnlichen Giebel auf. An der Ostseite treten links ein viergeschossiger quadratischer Treppenturm, ein Erker mit Balkon sowie rechts ein eingeschossiger Rundturm hervor. Die nach Westen gerichtete Seite nimmt die von kleinen Türmchen flankierte Türe auf, zu der eine zweiläufige Freitreppe führt. Alle Fensterstürze werden von einem leicht hervortretenden Sandsteingesims überdeckt, das an den Enden girlandenartig nach unten abknickt; derartige Überdeckung und Betonung der Stürze waren zwar schon länger bekannt (ROMBERG 1847, Tafel 20 und 21), tauchen hier in Geldern aber erstmals auf und wirken für einige wenige Bauten stilbildend (-Ostwall 59. – Veert, Veerter Dorfstraße 9. – Walbeck, An der Fossa 22).

Die linke Asche an der Rückseite besteht aus drei übereinander angeordneten, hochrechteckigen Fenstern, die nur halb so breit wie die übrigen sind, sie verraten, dass sich hier zwei Toilettenanlagen verbergen, die in jener Zeit durchaus einen gehobenen Lebensstil dokumentieren (MARTIN 1976).

Die Villa mit von Rundbögen getragenen Zinnen und Türmchen wurde im englischen Tudor-Stil nach dem immaginären Vorbild einer Burg errichtet. Der Entwurf zu diesem ungemein qualitätvollen Gebäude dürfte auf den Kölner Baumeister und späteren königlichen Baurat Vinzenz Stadt (1819-1898) zurückgehen. Neben der Beziehung zu Köln durch die Frau des Bauherrn und der Tatsache, dass Statz (später) einen Entwurf für einen Tafelaufsatz für den Landrat von Eerde entwarf (HÖVELMANN 1983, S. 90f.) sowie seine vielfache Tätigkeit im Kreis Geldern (so in der Gelderner Pfarrkirche, auf dem Gelderner Friedhof, bei den Schlössern Krickenbeck und Wissen und in Kevelaer: VOGTS 1960, Register) spricht für die Urheberschaft von Statz die Formensprache des Gebäudes selbst. So finden sich von Bögen getragene Zinnen, kleine Ecktürmchen und die girlandenartige Fensterstürze ebenfalls bei dem von Statz 1853 neogotisch überformten Schloss Krickenbeck (VOGTS 1960, S. 85).

1894 übernahm der Kreis Geldern die Villa und errichtete zusätzlich ein zweigeschossiges Verwaltungsgebäude, das aber 1966 dem heutigen Verwaltungsgebäude weichen musste; bereits 1956 war das „rote Haus“ für verschiedene Kreisämter hinzugebaut worden; seit 1985 dienen die alte Villa, das „rote Haus“ und das ehemalige Landratsamt als Rathaus der Stadt Geldern (FRANKEWITZ 1991a, S. 86f), der Küchenbau als Magazin für das Stadtarchiv. Bis 1989 folgte eine aufwendige Restaurierung und Herrichtung zu Sitzungszwecken im Hochparterre und Fraktionsräume im Obergeschoss, der gesamte Dachraum wurde ausgesteift (vgl. dazu JbrD 38, 1999, S. 252). Die Haustüre wurde 1996 von der Firma Tervooren aus Kevelaer-Kervenheim nach altem Muster erneuert. Im Sommer 1998 wurden alle 71 Fenster durch die Gelderner Firma Johann Bergers denkmalgerecht und nach altem Vorbild durch neue ersetzt (RP vom 1. August 1998).

Park

Gleichzeitig mit dem Bau der Villa ließ der Bauherr im Stile der Zeit einen relativ großen englischen Park um das Haus anlegen (vgl. FRANKEWITZ, VOIGT 1993, S. 85). In den Bereichen, in denen er nicht durch die spätere Bebauung sowie die besonders störenden Parkplätze zerstört ist, bietet er von den geschwungenen Wegen noch einige schöne Sichtachsen auf einzelne Bäume oder die Villa. Verschiedene Bäume stammen noch aus der Erbauungszeit des Hauses und sind somit rund 140 Jahre alt. Im rückwärtigen Parkwald belebt ein langer Teich die Anlage. An der Süd- und an der Ostecke sowie dazwischen findet sich jeweils ein künstlich aufgeworfener, zum Teil von Bäumen gesäumter Hügel; früher standen auf diesen erhöhten Rondellen vielleicht Sitzgruppen. Ein ähnliches Rondell findet sich im Park von Haus Golten (-Pont, Haus Golten). – Der Park könnte unter Mitwirkung des Grafen Carl Ludwig von Varo (1792-1876) von Haus Caen Straelen entstanden sein, der der Überlieferung nach der Vormund von Georg von Eerde war (HÖVELMANN 1974, S. 192); von Varo besaß bei Haus Caen eine eigene Baumschule, war Mitglied im Verein zur Förderung des Gartenbaus und unterhielt Beziehungen zum Düsseldorfer Gartendirektor Maimilian Friedrich Weyhe (1775-1846) (SCHILDT 1987, S.  52-54). Die Entstehung des Parks für den Gelderner Landrat ist damit in engem Zusammenhang mit den insbesondere noch bei Adelshäusern erhaltenen Parkanlagen englischen Stils am Niederrhein zu sehen.

Skulptur im Park

Vor dem Rathaus steht auf dem Rasen ein behauener, 260 cm hoher Steinklotz mit einer Nut, in der sich eine 9 cm starke und 266 cm lange Stahlspitze befindet. Die Skulptur aus Anröchter Dolomit stammt von dem Bildhauer Walter Wittek (Jahrgang 1943) und entstand im Rahmen des Bildhauersymposions am Markt 1990 (VAN HEUMEN 1992, S. 47-51). – Auch der reizvolle aber ungeliebte „Demokratische Kreis“ des Künstlers Pierre Theunissen vom Marktplatz, der 1990 während des Bildhauersymposions entstand (VAN HEUMEN 1992, S. 39-41) und 1998 aufgrund einer demokratischen Entscheidung abgebrochen wurde, ist im Park wieder aufgestellt worden (RP vom 2. Juni und NN vom 14. Oktober 1998).

Alte Rathausfenster im Verwaltungsgebäude

Im Foyer des 1966 bezogenen Verwaltungsgebäudes sind die Fenster des alten, 1945 zerstörten Rathauses auf dem Markt aufgestellt. Sie sind nicht eigens in die Denkmalliste eingetragen, denn sie gehören zum Inventar des Stadtarchivs (FRANKEWITZ 1989). Zu diesen Fenstern gehört auch das von Johann Mühlhoff aus Kevelaer entworfene und von der Kevelaerer Glasmalerei Derix ausgeführte Fenster von 1912 mit dem sagenhaften Gelderner Drachenkampf (LINGENS 1996, S. 61f.), das MESPILVS, die Gesellschaft zur Förderung des Stadtarchivs Geldern, 1996 als Poster herausgab.

Quelle: Frankewitz, Stefan 2001: Die Denkmäler der Stadt Geldern / Stefan Frankewitz. Kleve: B.o.s.s-Dr.-und-Medien.